Pressestimmen

Patchwork - und doch anders
Arbeiten von Verena Hielscher

Sie leuchten in strahlenden Seiden oder nehmen sich zurück in matten Baumwoll- und Leinenstoffen, die Patchwork-Arbeiten von Verena Hielscher, einer Schweizerin, die es in die Nordeifel verschlagen hat. Immer aber sind sie mehr oder weniger anders als die anderen.

Erstmals aufgefallen waren Verena Hielschers Patchwork-Arbeiten in der Bielefelder Kunsthalle anläßlich der manu factum '81, der Landesausstellung zur Ermittlung der Staatspreisträger in Nordrhein-Westfalen. Obwohl sie seinerzeit nicht zu den Preisträgerinnen gehörte, war sie für Karl-Günter Nicola, dem Herausgeber und Chefredakteur der Zeitschritt "Kunst & Handwerk", eine besondere Erwähnung in seiner Ausstellungsrezension wert. Danach waren ihre Arbeiten nur noch selten und fast ausschließlich im Kölner Raum zu sehen. Es wurde still um Verena Hielscher.

Der Grund: ein Kind, das ihre volle Aufmerksamkeit erforderte, und der Aufbau einer gemeinsamen Existenz mit ihrem Lebensgefährten, dem israelischen Keramiker Michael Moses, in Kall-Scheven. Etwa um 1984 herum hat sie aufgehört, an ihren eigenen Stücken zu arbeiten, ihr Werk hintangestellt und den familiären Pflichten den grö6eren Platz eingeräumt.

Inzwischen ist der Sohn groß, die Keramikwerkstatt verkleinert, mit einem Wort, jetzt hat sie wieder Zeit für ihr eigenes Werk. In den Jahren dazwischen hat sich viel in ihr aufgestaut, sagt sie. "Ich muß jetzt wieder arbeiten und diese Ideen umsetzen." Seit Mai 1996 sind wieder erste Wandbehänge entstanden, im vergangenen Winter hat sie ihre Arbeit intensiviert und im Mai 1997 in der eigenen Werkstattgalerie der Öffentlichkeit vorgestellt. Mit großem Erfolg, das Publikum war begeistert.

Was macht die Besonderheit der Patchwork-Arbeiten von Verena Hielscher aus? Auch Verena Hielscher hat zu Beginn - angeregt durch einen längeren USA-Aufenthalt - im traditionellen Stil mit Blümchen und Polsterstoffen in Blockhaus- und Sternmuster gearbeitet. Doch schon bald erkannte sie, daß sie auf diesem Weg nicht weiter kam, das er zu eng war für ihre Phantasie. Sie fing an zu experimentieren. Es entstanden geometrische Kompositionen mit Tiefe und dreidimensionalem Effekt, der bei der Verwendung von hellen und dunklen Stoffen entsteht.

Die Vielfältigkeit der Farben, die Kontraste der Webstrukturen und der Oberflächen sind immer wieder Anreiz für Verena Hielscher zu neuen Mustern und Kombinationen. Hat sie bis ca. 1984 in relativ großen Formaten gearbeitet (bis 150 x 200 cm) beschränkt sie sich heute auf Größen von 80 x 100 cm oder 100 x 120 cm.

Als Begründung für die Verkleinerung nennt sie erstens den Publikumswillen ("Die Leute können die großen Formate nicht hängen.") und zweitens erleichtert sie sich selber die Arbeit damit. Da sie von Anfang bis Ende alles mit der Hand näht, sind kleinere Formate für sie einfach handlicher, obwohl sie einräumt: "Beim großen Format kann man sich besser austoben."

Verena Hielscher, die 1940 in Zürich geboren wurde und nach einer Damenschneiderlehre und längerer Tätigkeit in einem Couture-Atelier seit 1977 freischaffend tätig ist, meint, das, was sie heute mache, sei eigentlich kein richtiges Patchwork mehr, auch wenn sie weitgehend in seinen Techniken arbeite. Alle Linien sind von ihr von Hand gezogen, sie sind bewußt locker und nicht linealgetreu. Dadurch erhalten die Behänge eine große Lebendigkeit.

Hat sie früher viel mit Krawattenstoffen und mit nichtgefärbten Leinen- oder Jeansstoffen gearbeitet, verwendet sie heute gerne leuchtende, einfarbige Seiden, die sie gekonnt mit kleingemusterten oder mit matten Stoffen mischt, um die Leuchtkraft zu heben. In Ihrer Formensprache kommt der Farbe eine ganz eminente Wirkung und damit Bedeutung zu. Ihre Wandbehänge sind im besten Sinne des Wortes farbig, ohne schreiend zu sein.

Beim Entwurf ihrer Behänge läßt sie sich fast ausschließlich von ihrer Intuition leiten, ohne sich von irgendwelchen theoretischen Farblehren beeinflussen zu lassen. Da entsteht dann zunächst die Idee im Kopf, die sie mit sich herumschleppt, dann wird sie in kleinen Skizzen festgehalten, denen sich die Suche nach den geeigneten Stoffen anschließt. Aus den Stoffen und ihren Kombinationen entstehen die Farbfelder.

Die Ideen findet Verena Hielscher häufig in der Natur. Blätter im Wald, Steinformationen, bewegtes Wasser aber auch ein Tisch mit Stoffresten im Ausverkauf können ihr Inspiration zu einem Wandbehang sein. Seelenverwandt fühlt sie sich ihrem großen Landsmann Paul Klee. Wie er lehnt sie gerade Linien als steril und für sie deshalb als untextil ab. "Die kann man auch zeichnen oder malen."

Ihre Farbstrukturen und die daraus entstandenen Formen unterstreicht Verena Hielscher durch Quilten. Dabei unterlegt sie vor allem die weichen Stoffe mit einem Fließ, um ihnen mehr Ausdruck zu geben. Ihre Quiltlinien verlaufen immer parallel zu den Farblinien, nie durchschneiden sie einzelne Farbfelder. Diese Farbfelder erhalten durch Verenas Quiltmethode eine nie zuvor gesehene Plastizität.

Abgefüttert werden die Arbeiten immer mit vorher gewaschenen Stoffen, um ein Verziehen zu vermeiden. Die Stoffe, die sie im Behang verwendet, können neu sein oder gebraucht. Die neuen findet sie im Ausverkauf oder in Resthäusern, die gebrauchten auf Flohmärkten oder im eigenen Kleiderschrank. Verena Hielscher bezeichnet sich selber mit einem Blick auf das Patchwork als Autodidaktin. Das ist aber nur bedingt richtig. Die Schneiderlehre und die Tätigkeit in der Couture haben sie den Umgang mit Textilien lernen lassen ebenso wie das Gespür für Farben, Formen und Perspektiven gefördert. Hat sie in der Couture dreidimensional für den menschlichen Körper gearbeitet, so tut sie es heute zweidimensional für die Wand. Die Ausdruckskraft ist sicherlich durch die Beschränkung im Format gewachsen.

Antje Soléau

(erschienen in Textilkunst 11/97)