Pressestimmen

Patchworks von Verena Hielscher-Graf

Eigentlich ist es paradox: Man zerschneidet Samt-, Seiden-, Woll- oder Baumwollstoffe, manchmal auch Leder, um die so entstandenen, meist geometrischen Flicken mit viel Mühe und Sorgfalt wieder zusammenzunähen. Dennoch ertreuen sich diese Patchworkarbeiten seit Jahrhunderten großer Beliebtheit. Das älteste Zeugnis (980 v. Chr.), eine Baldachindecke aus verschiedenfarbigem Leder, stammt aus Agypten. Da Patchwork aufgrund seiner vielen Nähte nicht sehr haltbar war, ging man im 11. Jahrhundert - angeregt durch Ouilts, die Seeleute mit aus dem Mittleren Osten brachten - in Europa dazu über, dieses mit einer Füllung zu unterlegen und auf einen Unterstoff zu nähen, d. h. zu "quilten".

Patchwork und Patchwork-Quilts kamen in der Renaissance nicht nur bei der ländlichen Bevölkerung, sondern auch bei den vornehmen Damen in Italien, Frankreich und England zu Ehren. Diese dachten sich immer neue, ornamentale oder figurale Motive aus und verzierten ihre Arbeiten manchmal mit Gold- und Silberstickereien.

Was den Bäuerinnen und den feinen Damen in Europa recht war, war den ersten amerikanischen Siedlern im wahrsten Sinne des Wortes billig. Aufgrund ihrer Armut waren sie gezwungen, für die Herstellung warmer Decken (die in den kalten Wintern dringend benötigt wurden) unbrauchbar gewordene Textilien zu sammeln, zu zerschneiden und in phantasievoller Anordnung neu zusammenzusetzen. Wenn auch bei diesen ersten amerikanischen Patchwork-Quilts deren Funktion im Vordergrund gestanden haben mag, so überwog doch bald - mit zunehmendem Wohlstand - die Freude am Ornament. Es wurden Muster entwickelt, die für bestimmte Gegenden oder Anlässe typisch waren.

Die Möglichkeiten, gemusterte Stoffe nicht nur zu kombinieren, sondern auch nach Farbwerten (hell/dunkel, schwer/leicht) zusammenzustellen und dabei Aspekte wie Ton in Ton, Kontrastierung, Symmetrie oder Asymmetrie zu berücksichtigen, haben bis heute nichts von ihrem Reiz eingebüßt. Sie regten die Textilgestalterin Verena Hielscher-Graf zu Arbeiten an, die im folgenden vorgestellt werden.

Verena Hielscher-Graf bedient sich einmal der traditionellen Muster wie Blockhaus oder Stern, variiert diese aber auch frei und nach eigenen Vorstellungen. Je nach Gefühlslage und Stimmung wählt sie einmal zarte, aufeinander abgestimmte Farbkombinationen oder kräftige, kontrastreiche Farben, die sie durch die Wahl unterschiedlicher Stoffqualitäten unterstreicht. Sie beschränkt sich also nicht auf gleichartige Stoffe wie z. B. ausschließlich Baumwolle, sondern sie wählt Samt, Brokat, Seide oder Polsterstoffe. Das Ergebnis sind oft sehr ornamentale Wandbehänge, die zum Teil durch Verschiebung der Längs-, Ouer- oder Diagonalachse beim Betrachter den Eindruck von Asymmetrie erwecken. Doch bei genauerem Hinsehen stößt man immer wieder auf zusammenhängende symmetrische Flächen.

Bis zu 2 Monaten arbeitet Verena an einem Patchwork oder Patchwork-Quilt, die erst mit der Maschine und dann von Hand nachgenäht werden. (Das Nähen von Hand bewirkt eine größere Plastizität und unterstreicht die Konturen).

Verena legt besonders Wert auf die ästhetische Wirkung ihrer Arbeiten, die harmonisch und schön sein sollen. Sie will in ihre Patchworks nichts interpretieren, sondern sie reizt das Spiel mit den Mustern und das Spiel mit der Tiefe.

R.B./C.T.

Die Künstlerin und ihre Arbeit:

Patchwork hat mich schon immer fasziniert, das erste Mal erlebte ich Patchwork ganz bewußt bei meinem Aufenthalt in den USA.

Es dauerte allerdings noch einige Jahre bis ich zufällig eine Ausstellung von alten Amerikanischen Patchworks sah. Dann war es passiert; schon am nächsten Tag fing ich an Stoffe für mein erstes Patchwork zu sammeln. Seither waren meine Abende mit dem Zusammenstellen und Nähen von Patchworks ausgefüllt. Am Ende kam es dazu, daß ich meinen Beruf aufgab um ausschließlich Patchworks zu machen.

Nach den ersten Arbeiten im traditionellen Stil, erkannte ich bald, daß ich so nicht weiter kam. Ich fing an zu experimentieren. Es entstanden nun geometrische Kompositionen mit Tiefe und dreidimensionalem Effekt, der durch die Verwendung von hellen und dunklen Stoffen entsteht.

Die Vielfältigkeit der Farben, die Kontraste der Webstrukturen und der Oberflächen, geben mir Anreiz zu immer neuen Mustern und Kombinationen.

(erschienen in Kunst und Handwerk 06/83)